4 O 150/16 Die VW Bank hat Anspruch auf den Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer

4 O 150/16 – LG Berlin zögert beim Nutzungsersatz – VW-Bank-Belehrungen fehlerhaft

/ 17.01.2018 / / 1.371

Mit dem Landgericht Berlin hat nun ein zweites deutsches Landgericht über die Fehlerhaftigkeit von Widerrufsbelehrungen der VW Bank entschieden ( 4 O 150/16, verkündet am 5. Dezember 2017) und festgestellt, dass die VW Bank unzureichend und fehlerhaft belehrt hat. Daraus ergibt sich die Zulässigkeit eines Widerrufes, gegen den sich die Bank natürlich mit allen Mitteln wehren musste.

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Bei der Darlehensaufnahme hatte es sich nämlich um ein so genanntes verbundenes Geschäft gehandelt. Der Widerruf des Darlehens bedeutet für die VW Bank, dass das finanzierte Fahrzeug zurückgenommen werden muss und sämtliche Raten dem Darlehensnehmer erstattet werden müssen. Zuvor hatte bereits das Landgericht Arnsberg einem Kläger Recht gegeben und den Widerruf für zulässig erklärt (Az. I-2 O 45/17). Hier hatte der Kläger ebenso eine Nutzungsentschädigung zahlen sollen. Es steht wohl eine Entscheidung beim Oberlandesgericht an, da der PKW über 400.000 Kilometer gelaufen war.

4 O 150/16 steht für Fragen rund um den Nutzungsersatz

An insgesamt zwei Verhandlungstagen hatte es von Anfang an in Berlin nicht gut für die VW-Bank ausgesehen, schon früh hatte sich die Hoffnung auf ein bankenfreundliches Urteil erledigt. Ein kleiner Wermutstropfen: Der klagende Besitzer eines finanzierten VW Touran muss sich 9 Cent pro gefahrenem Kilometer Nutzungsersatz abrechnen lassen. Eigentlich war man klägerseits davon ausgegangen, dass die VW Bank keinen Anspruch auf Nutzungsersatz habe. Auch in diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass eine Partei Rechtmittel einlegt. Verbraucheranwälte deutschlandweit berufen sich auf eine im Juni 2014 aktiv gewordene Gesetzesänderung, wonach sich eine Nutzungsentschädigung bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen ausschließt. Darüber werden wohl die weiteren Instanzen entscheiden müssen.

Rechtsanwalt Dr. Gerrit Hartung zum Berliner Urteil: “Die Fehlerhaftigkeit der VW-Belehrungen steht für mich auch nach der Prüfung der unserer Kanzlei vorliegenden Vertragswerke definitiv fest und auch der Nutzungsersatz sollte kein Argument sein, den Widerrufsjoker nicht zu ziehen, denn eine solche PKW-Rückgabe ist immer noch wirtschaftlich sinnvoller und als Option juristisch einfacher durchzusetzen, als das Stellen von Schadensersatz gegenüber dem Hersteller des betroffenen Dieselfahrzeugs. Wir empfehlen insbesondere Opfern des Dieselskandals, wenn möglich den Widerrufsjoker zu ziehen!”


Das Urteil ist im Kern verbraucherfreundlich. Allerdings hatten Verbraucher-Anwälte deutschlandweit gehofft, dass der Punkt “Nutzungsentschädigung” komplett gestrichen wird. Hier folgte das Gericht den Vorstellungen der Klägerseite nicht, ähnlich wie in Arnsberg, wo der verhandelte PKW über 400.000 km auf dem Tacho hatte. Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass sowohl in Arnsberg als auch in Berlin klägerseits die nächste Instanz aufgerufen werden wird. Wegen der Grundsätzlichkeit ist sogar denkbar, dass gegen eine mögliche OLG-Entscheidung eine Revision vor dem BGH zugelassen wird.
Im Einzelnen geht es um folgende fehlerhafte Passagen
“Gem. § 492 Abs.2 BGB muss der Darlehensvertrag die in Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.7.2009 (EGBGB a.F.) vorgeschriebenen Angaben enthalten. Dem Kläger sind jedenfalls die erforderlichen Angaben zu der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowie zu der Kündigung des Darlehensvertrages nicht in gebotener Art und Weise erteilt worden. Ob weitere Pflichtangaben unzureichend sind, wie von dem Kläger beanstandet, bedarf keiner Entscheidung.”

a. Gemäß Art. 247 § 6 Abs.1 Nr.5 EGBGB muss der Vertrag klare und verständliche Angaben zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung enthalten. Der Darlehensnehmer soll darüber in Kenntnis gesetzt werden, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie er selbst kündigen kann. Es müssen sowohl die Kündigungsrechte selbst als auch die bei ihrer Ausübung zu beachtende Modalitäten angegeben werden. Die Angaben der Beklagten sind unzureichend, da sie weder einen Hinweis auf das Kündigungsrecht des Klägers nach § 314 BGB enthalten noch auf die bei der Kündigung durch die Beklagte zu beachtende Form.

aa. Die Angabe muss sich nicht nur auf ordentliche Kündigungsrechte erstrecken, sondern auch auf das außerordentliche Recht nach § 314 BGB. Die Beklagte hat aber nur ein ihr zustehendes Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund in Nr. 7 der Darlehensbedingungen aufgenommen, schweigt über ein solches des Darlehensnehmers. Bei dem Kündigungsrecht nach § 314 BGB handelt es sich nicht um ein Instrument allein des Leistungsstörungsrechts, das nicht Gegenstand der Hinweispflicht ist. Vielmehr ist es ein besonderes Kündigungsrecht, das aus wichtigem, nicht notwendig auf die Vertragsleistungen bezogenen Grund besteht und nicht auf Leistungsstörungen beschränkt ist. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommen Literaturstelle, nach der Hinweise auf Leistungsstörungsrechte nicht erforderlich sind; zu § 314 BGB wird dort keine Aussage getroffen. Das Kündigungsrecht nach § 314 BGB kann auch nicht mit den Rechten zur Vertragsauflösung durch Anfechtung oder Rückabwicklung wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB gleichgesetzt werden.

Letztgenannte beziehen sich auf Störungen bei der Vertragsanbahnung, während Kündigungsrechte das laufende Vertragsverhältnis betreffen und nur eine in die Zukunft wirkende Vertragsaufhebung ermöglichen. Deshalb überzeugen die gerichtlichen Entscheidungen nicht, die einen Hinweis für verzichtbar halten, weil auch Rechte nach §§ 123, 826 BGB nicht angegeben werden müssen. Die Vorgabe der Verbraucherkreditrichtlinie, die in Art. 247 § 6 Abs.1 Nr. 5 EGBGB umgesetzt worden ist, lässt sich nicht mit dem Argument außer Kraft setzen, dass es neben der Kündigung weitere Vertragsauflösungsmöglichkeiten gibt.

Diese Auslegung des Art. 247 § 6 Abs.1 Nr. 5 EGBGB steht im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 s) der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG. Danach ist in dem Darlehensvertrag über die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung zu informieren. Die von der Beklagten vertretene Einschränkung, dass hiervon das außerordentliche Kündigungsrecht des § 314 BGB nicht umfasst sei, lässt sich der Richtlinie nicht im Ansatz entnehmen. Sie kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass Vorgängerregelungen einen Hinweis auf ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht vorsahen. Nach Art. 4 Abs. 3 der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG vom 22.12.1986 sollte der Vertrag die wesentlichen Vertragsbestimmungen enthalten. Welche Bestimmungen als wesentlich angesehen wurden, war beispielhaft in der Anlage zu der Norm aufgeführt.

Zu der Vertragsbeendigung bei verbundenen Verträgen ist dort nur der Anspruch auf Ermäßigung der Gesamtkosten gem. Art. 8 S.2 der Richtlinie genannt. Nach § 4 Abs.1 c) VerbrKrG, mit dem die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG umgesetzt wurde, musste der Vertrag die Art und Weise der Rückführung des Kredites oder, sofern diese nicht vereinbart war, der Vertragsbeendigung enthalten. Die Norm wurde dahingehend verstanden, dass sich aus dem Vertrag die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensnehmers ergeben müssen; in welchem Umfang und ob § 314 BGB dazu gehört, war bereits damals umstritten. Unabhängig davon sollten mit der Richtlinie 2008/48/EG die Regelungen zum Verbraucherkredit gegenüber der Vorgängerrichtlinie ergänzt und der Verbraucherschutz ausgeweitet werden. Dementsprechend soll der Darlehensvertrag nun auch nicht mehr nur die wesentlichen Bestimmungen, sondern alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus ihm ergeben, enthalten (vgl. Erwägungsgrund 31).

Der hier vertretene Auffassung, nach der auf § 314 BGB hingewiesen werden muss, stehen weder Erwägungsgrund 33) der Verbraucherkreditrichtlinie noch der Grundsatz der Vollharmonisierung nach Art. 1 und 22 Abs.1 entgegen. Der Erwägungsgrund 33 besagt, dass die Richtlinie nicht das innerstaatliche Recht zur Vertragsbeendigung bei Vertragsbruch berührt. Wie bereits dargestellt, ist der Anwendungsbereich von § 314 BGB nicht auf Vertragsbruch beschränkt.

Die Richtlinie selbst regelt lediglich ein ordentliches Kündigungsrecht bei unbefristeten Verträgen in Art. 13. Da außerordentliche Kündigungsrechte und solche für befristete Verträge nicht enthalten sind, erstreckt sich hierauf auch nicht die Vollharmonisierung (Erwägungsgrund 9 S. 3 und 4). Im Übrigen geht es bei der Hinweispflicht nach Art. 247 § 6 Abs.1 Nr. 5 EGBGB bzw. Art. 10 Abs. 2s) der Verbraucherkreditrichtlinie nicht um die Frage, welche Kündigungsrechte der nationale Gesetzgeber im Einklang mit der Richtlinie vorsehen darf, sondern darum, dass über die bestehenden Rechte aufzuklären ist.

Der fehlende Hinweis auf das Kündigungsrecht nach § 314 BGB wird nicht ersetzt durch Ziff. 2 der Darlehensbedingungen (S. 2 des Darlehensantrags, Anlage K 1). Diese Vertragsbedingung bezieht sich nicht auf die Kündigung, sondern auf eine vorzeitige Vertragserfüllung durch den Darlehensnehmer. Eine Kündigung ist aber hiervon abweichend eine vorzeitige Vertragsbeendigung ohne vollständige Erfüllung. Ziff. 2 der Darlehensbedingungen ist daher bereits begrifflich nicht einschlägig und bezieht sich nur auf das Recht des Darlehensnehmer zur vorzeitigen Darlehensrückzahlung, auf das nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB hinzuweisen ist.

bb. Die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB in den Vertrag aufzunehmende Angabe zu dem einzuhaltenden Verfahren bei Kündigung ist auch nur dann vollständig, wenn sie neben den Kündigungsrechten selbst Informationen zu den Anforderungen an ihre Ausübung enthält. Dazu gehört die Mitteilung, dass die Kündigung des Darlehensgebers gem. § 492 Abs. 5 BGB auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden muss. Der Entscheidung des BGH vom 4.7.2017 (XI ZR 741/16) ist nicht zu entnehmen, dass das Gericht eine solche Angabe für verzichtbar hält. Ausweislich der bei juris veröffentlichten Urteilsgründe enthielt der Vertrag, über den der BGH zu entscheiden hatte, Angaben sowohl zu der erforderlichen Textform als auch zu dem Kündigungsrecht nach § 314 BGB (vgl. Rn. 4, Ziff. 8 und 11.1.). Der BGH hat in der Entscheidung allerdings auch nicht ausdrücklich ausgeführt, dass er Angaben zu der zu beachtenden Form für erforderlich erachtet.

Dass die Pflichtangabe sich auf das Formerfordernis zu erstrecken hat, folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB (“das einzuhaltende Verfahren”). Noch deutlicher ist Art. 10 Abs. 2 s), der von den einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Kündigungsrechts spricht. Sinn und Zweck der Pflichtangabe stützen dieses Verständnis. Soll der Verbraucher nicht nur wissen, wann und wie er kündigen kann, sondern auch in die Lage versetzt werden, die Rechtmäßigkeit einer Kündigung des Darlehensgebers zu prüfen, muss er über die Formvorschrift in Kenntnis gesetzt werden. Die Angaben unter Ziff. 8 der Darlehensbedingungen sind hierfür ungeeignet. Sie betreffen mit der Verwertung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs mögliche Rechtsfolgen einer Kündigung, nicht aber Modalitäten ihrer Ausübung.

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, über allgemeine zivilrechtliche Vorschriften sei nicht zu informieren; um solche geht es nicht. Vielmehr ist die Formvorschrift des § 492 Abs. 5 BGB eine besondere des Verbraucherkreditrechts. Im Übrigen können auch einzelne Aspekte allgemeiner Vorschriften angabepflichtig sein, wenn sie im Zusammenhang mit einer Pflichtangabe stehen; das ist der Fall für § 314 BGB. Soweit die Beklagte meint, mit einem Hinweis auf die Formvorschrift würden die Pflichtangaben wegen ihres Umfangs für den Verbraucher unüberschaubar, vermag das Gericht ihre grundsätzlichen Bedenken durchaus zu teilen. Auslöser ist aber nicht der Hinweis auf § 492 Abs. 5 BGB, sondern wohl eher der Gesamtumfang der Pflichtangaben; hierüber hat aber allein der Gesetzgeber zu entscheiden.

cc. Rechtsfolge der fehlenden Angaben zu dem Verfahren bei Kündigung ist nach § 494 Abs.6 S.1 ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Klägers als Darlehensnehmer. Die Beklagte ist nach § 494 Abs. 7 BGB verpflichtet, dem Kläger eine dieses Recht berücksichtigende Vertragsabschrift zur Verfügung zustellen. Erst dann hätte der Ablauf der Widerrufsfrist gem. § 356b Abs. 2 und 3 BGB beginnen können.

b. Gemäß Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F. muss in dem Vertrag die Berechnungsmethode für eine Vorfälligkeitsentschädigung angegeben werden, sofern der Darlehensgeber den Anspruch hierauf ggf. beabsichtigt geltend zu machen. Dass die Beklagte sich den Anspruch vorbehalten wollte, stellt sie nicht in Abrede und macht sie mit ihren Angaben zu der Berechnung der Vorfälligkeitsmethode in Ziff. 2 c) der allgemeinen Darlehensbedingungen und in den Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite deutlich.

Entgegen den Anforderungen des Art. 247 § 7 Nr.3 EGBGB a.F. hat die Beklagte nicht die Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung mitgeteilt. Die Bezugnahme auf “vom Bundesgerichtshof vorgeschriebene finanzmathematische Rahmenbedingungen” und die Berücksichtigung bestimmter, nicht abschließend genannter Kriterien bei der Berechnung genügt nicht.

Dies ergibt sich bereits aus der Aufführung der “insbesondere” zu berücksichtigenden Kriterien. Der Darlehensgeber hält sich so einen Spielraum offen, der es dem Verbraucher unmöglich macht, seine Belastung für den Fall der vorzeitigen Darlehensrückführung zuverlässig abzuschätzen. Die Unklarheit wird nicht durch den Verweis auf die “vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen” beseitigt. Solche vorgeschriebenen Methoden gibt es nicht. Abgesehen davon, dass der BGH keine Vorschriften erlässt, hat er für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auch keine verbindlichen Rahmenbedingungen aufgestellt. Es entspricht der Aufgabe der Rechtsprechung, zu überprüfen, ob eine bestimmte Vorgehensweise dem Gesetz entspricht, ohne damit aber andere ebenfalls mögliche Berechnungsarten auszuschließen. Dementsprechend hat der BGH auch stets betont, die Berechnung könne “auf unterschiedliche Weise” erfolgen, wobei die Aktiv-Aktiv-Methode und die Aktiv-Passiv-Methode mit ihren jeweiligen Alternativen Berechnungsweisen anerkannt sind, ohne dass damit weitere Methoden ausgeschlossen wären.

Die Beklagte hat darüber hinaus nicht deutlich gemacht, welche der von dem BGH bislang anerkannten Methoden sie anwenden möchte. Eine solche Konkretisierung ist für eine vollständige Pflichtangabe aber erforderlich (Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3). Auch hier ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F., dass die Berechnungsmethode – und nicht mehrere in Betracht kommende – anzugeben ist. Die Angabe der Methode soll es dem Darlehensnehmer ermöglichen, die finanziellen Folgen einer vorzeitigen Darlehensablösung zuverlässig abschätzen zu können (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 87). Das kann er aber nur, wenn sich der Darlehensgeber hinsichtlich der Berechnung festlegt. Nicht ausreichend ist es, wenn er aufgrund der Angaben einen Näherungswert bestimmen kann. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des § 502 BGB wäre das auch ohne Festlegung in den Pflichtangaben möglich. Daher genügt auch die Angabe unter Ziff. 2 der Darlehensbedingungen nicht, nach der die Vorfälligkeitsentschädigung nicht über 1 bzw. 0,5 % des Rückzahlungsbetrags hinausgeht. Mit dieser Angabe hat die Beklagte § 502 Abs.1 S. 2 Nr. 1 BGB Rechnung getragen, eine zuverlässige Berechnung aber nicht ermöglicht. Es ist nicht ausreichend, wenn der Darlehensnehmer den maximalen Betrag ermitteln kann (so aber LG Stuttgart, Urteil v. 17.8.2017 – Az. 12 O 256/16 – S. 10, Anlage B 14; LG Köln, Urteil v. 10.10.2017 – Az. 21 O 23/17 – S. 12, Anlage B 16). Der Darlehensnehmer könnte durch einen Maximalwert ohne Grund von der Ausübung seines Rechts aus § 500 Abs. 2 BGB auf vorzeitige Darlehensrückführung abgehalten werden.

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass eine detaillierte Angabe der finanzmathematischen Formel nicht erforderlich ist Das schließt aber die Festlegung auf eine Methode nicht aus. Warum dem Darlehensnehmer, der die Berechnung im Zweifel nur mit sachverständiger Hilfe vornehmen kann, das Verständnis durch das Offenlassen der konkreten Methode erleichtert werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Damit geht der Darlehensgeber noch einen Informationsschritt weiter zurück. Denn nun müsste der Darlehensnehmer sich mindestens zwei Methoden mit sachverständiger Hilfe berechnen lassen, um die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung abschätzen zu können. Ebenso wenig überzeugend sind Erwägungen, der Darlehensnehmer werde an einer Festlegung kein Interesse haben, da er den Unterschied nicht nachvollziehen könne. Man muss ihm aber nach der Entscheidung des Gesetzgebers jedenfalls die Chance hierfür geben, was bei unzureichender Angaben nicht der Fall ist.

Die Konkretisierung der anzuwendenden Methode entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Bereits in der Verbraucherkreditlinie 2008 wird eine transparente, nachvollziehbare und der Überprüfung zugängliche Berechnungsmethode gefordert (s. Erwägungsgrund 39). Dieses Ziel ist nur mit einer Festlegung der Methode zu erreichen. Der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ausdrücklich klargestellt, dass die Bank sich bereits in der Pflichtangabe für eine der von dem BGH zugelassenen Methoden entscheiden muss Da der Wortlaut für den Wohnimmobilienkredit in Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 n.F. insoweit identisch ist mit der für (nun so genannte) Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge in § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.d.F. 11.3.2016 bzw. § 7 Nr. 3 i.d.F. vom 29.7.2009, gilt das Gleiche für den hiesigen Fall.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung entfällt, wenn in dem Vertrag nicht ordnungsgemäß über die Berechnung informiert wurde. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, Unzulänglichkeiten dieser Angaben wären ohne Auswirkung auf den Beginn der Widerrufsfrist. Es ist bereits fraglich, ob diese Auslegung richtlinienkonform ist, da nach Art. 14 Abs. 1 b) i.V.m. Art. 10 Abs. 2 r) der Verbraucherkreditrichtlinie 2008 der Beginn der Widerrufsfrist von dem vollständigen Erhalt der Pflichtangaben abhängen soll. Eine inhaltlich unrichtige Angaben steht einer fehlenden gleich. Richtig ist, dass der Darlehensgeber die fehlerhafte Angabe zu der Berechnung der

Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr nachholen kann, da der Anspruch nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB entfallen ist. Er kann aber dem Darlehensnehmer eine dieser Rechtslage angepasste Vertragsabschrift zur Verfügung stellen. Zwar ist die Vertragsänderung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht in § 494 Abs. 7 BGB als eine der Änderungen benannt, die eine Neuausfertigung des Vertrages erforderlich machen. Die Norm ist aber dahingehend auszulegen, da anderenfalls der Darlehensnehmer in dem Vertrag unzutreffend über einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung unterrichtet wird. Der gesetzlichen Systematik ist zu entnehmen, dass er einen Vertragstext mit zutreffenden Angaben zu erhalten hat und erst dann nach § 356b Abs. 3 BGB die Widerrufsfrist beginnt.


Landgericht Berlin: Urteil zum Widerruf von Darlehensvertrag bei Autokauf (PM 74/2017)
Pressemitteilung vom 05.12.2017

Der Präsident des Kammergerichts
Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin

Das Landgericht Berlin hat in einem heute verkündeten Urteil entschieden, dass ein Autokäufer den Darlehensvertrag, den er zwecks Finanzierung bei der Hausbank des Fahrzeugherstellers abgeschlossen hatte, noch eineinhalb Jahre später widerrufen könne. Zwar sei die Widerrufsbelehrung wirksam. Dennoch habe die zweiwöchige Frist für einen Widerruf nicht zu laufen begonnen. Denn in dem Vertrag werde entgegen dem Gesetz nicht hinreichend erläutert, wie eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werde. Zudem werde der Verbraucher nicht in der gebotenen Weise über ein gesetzliches Kündigungsrecht aufgeklärt. Der Fahrzeugkäufer erhalte die geleisteten Zahlungen zurück gegen Rückgabe des Fahrzeugs, müsse jedoch für die Zeit, in der er das Fahrzeug genutzt habe, auch eine Entschädigung dafür leisten.

Im Einzelnen:
Der Kläger kaufte im Sommer 2014 einen VW Touran zum Preis von 22.800 €. Einen Teilbetrag in Höhe von 8.000 € zahlte er direkt an das Autohaus. Den restlichen Kaufpreis von 14.800 € finanzierte er über einen Darlehensvertrag, den er mit einer Bank des Herstellers und auf Vermittlung des Autohauses abschloss. Den Unterlagen für den Darlehensvertrag waren die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite und eine Widerrufsbelehrung beigefügt.

Mit Schreiben vom 30. März 2016 widerrief der Kläger seine Willenserklärung auf Abschluss des Darlehensvertrages und forderte die Bank unter Fristsetzung auf, den Vertrag rückabzuwickeln. Da die Bank dies ablehnte, erhob er Klage. Er macht u.a. die Rückzahlung von ca. 17.300 € geltend, nämlich der geleisteten Anzahlung von 8.000 € sowie von gezahlten Raten in Höhe von insgesamt ca. 9.300 €. Der Kläger ist der Auffassung, er müsse keine Entschädigung dafür zahlen, dass er das Fahrzeug inzwischen drei Jahre genutzt habe.

In erster Instanz erhielt der Kläger teilweise Recht. Die Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin verurteilte die Bank durch das heute verkündete Urteil, ca. 12.400 € an den Kläger zurückzuzahlen. Grundsätzlich müsse zwar der Widerruf innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Die Widerrufsfrist habe jedoch nicht zu laufen begonnen, da dem Kläger als Verbraucher nicht die erforderlichen Pflichtangaben zur Verfügung gestellt worden seien.

Zum einen sei der Kläger nicht klar und verständlich über alle Möglichkeiten aufgeklärt worden, den Vertrag durch Kündigung zu beenden. Es fehle der Hinweis darauf, dass der Verbraucher den Vertrag als sog. Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund kündigen könne. Die gegenteilige Auffassung anderer Landgerichte (Braunschweig, Stuttgart und Köln), wonach über dieses besondere Kündigungsrecht nicht aufgeklärt werden müsse, überzeuge nicht. Vielmehr sei eine Auslegung geboten, die sich an europäischem Recht orientiere und die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG berücksichtige.

Zum weiteren seien auch die Angaben darüber nicht ausreichend, wie die sog. Vorfälligkeitsentschädigung, die die Bank im Falle einer vorzeitigen Kündigung als Ausgleich für dadurch entgehende Zinsen erhalte, berechnet werde. Die Bank müsse zwar nicht die finanzmathematische Formel detailliert angeben. Zumindest müsse aber erkennbar sein, welche Methode die Bank zur Berechnung anwenden wolle. Dies lasse sich den Angaben nicht entnehmen.

Als Folge des wirksam erklärten Widerrufs könne der Kläger die geleistete Anzahlung und die gezahlten Raten in Höhe von insgesamt ca. 17.300 € zurückverlangen. Von diesem Betrag seien jedoch die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Zinsen in Höhe von ca. 1.000 € abzuziehen. Zudem sei der Rückzahlungsbetrag um eine Wertentschädigung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer zu verringern. Denn es handele sich um einen mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrag. Der Kläger habe nicht nur geprüft, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß funktioniere und die vereinbarten Eigenschaften aufweise, sondern er habe das Fahrzeug dauerhaft genutzt. Ein Kunde solle nicht von seinem Widerrufsrecht abgehalten werden, wenn er befürchten müsse, er müsse schon dann einen Wertersatz leisten, wenn er die Ware nur prüfe, wie ihm das auch in einem Ladengeschäft möglich sei. Nutze er die Ware jedoch in einem Umfang, der über die Möglichkeiten bei einem Ladengeschäft (bei einem Autokauf z.B. durch Probefahrt mit einem roten Kennzeichen) hinausgehe, müsse er Wertersatz leisten.

Die Höhe dieser Entschädigung sei anhand der gefahrenen Kilometer zu schätzen und betrage vorliegend – ausgehend von einer ungefähren Gesamtlaufleistung des Modells von 250.000 Kilometern – ca. 3.900 €. Aus der Verrechnung ergebe sich der dem Kläger zugesprochene Betrag.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beide Parteien können dagegen beim Kammergericht Berufung innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Urteils einlegen.

Landgericht Berlin, Urteil vom 5. Dezember 2017, Aktenzeichen 4 O 150/16

Bei Rückfragen der Presse: Annette Gabriel
(Tel: 030 / 9015 – 2504, – 2290)

Wo finde ich das Urteil 4 O 150/16 ?

Die Pressestelle des Berliner Landgerichts hat das komplette Urteil zur Verfügung gestellt. Hier können Sie das Urteil zum Aktenzeichen 4-O-150-16 vom 5. Dezember 2017 anonymisiert herunterladen

Ihr Anwalt-Kontakt:

Gerrit W. Hartung

Gerrit W. Hartung
Fachanwalt für Strafrecht

Dr. Hartung ist Herausgeber des Portals www.pkw-rueckgabe.de und prüft Widerrufsbelehrungen der VW-Bank kostenlos. Rechtsanwalt Dr. Hartung ist Fachanwalt für Strafrecht, Partner bei MBK Rechtsanwälte in Mönchengladbach und Anwaltempfehlung der Zeitschrift “test.de” für den Bereich Widerruf von Immobiliendarlehen. Dr. Hartung ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft “jetzt-widerrufen.de”.


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LG Berlin, Urteil vom 5. Dezember 2017, Az. 4 O 150/16

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Kommentare / Anzahl der Kommentare: 4 Kommentare
Kategorien: Abgasskandal Schlagwörter: /

4 Kommentare zu “4 O 150/16 – LG Berlin zögert beim Nutzungsersatz – VW-Bank-Belehrungen fehlerhaft”

  1. Solowski sagt:

    Wenn die Autobauer bei den Abgasen manipulieren, ist der Widerruf immerhin eine gute Möglichkeitz, nicht auf seinem dreckigen Diesel, der immer mehr an Wert verliert, sitzenzubleiben. Vielleicht hätte VW sich die Kreditverträge der VW Bank genauer anschaunen sollen, bevor die Abgaswerte manipuliert werden

  2. Etwas Schadenfreude... sagt:

    In Arnsberg hatte der Passat 400.000 Kilometer auf der Uhr, jetzt müssen die weiterklagen weil er wegen dem Nutzungsersatz wohl nix rauskriegt 🙂

  3. So ist das... sagt:

    So ein Bödsinn, erst betet ihr, dass ihr den Kredit bekommt und wenn ihr ihn nicht mehr braucht dann sollen andere für euer schickes auto blechen

    1. Peter sagt:

      Was heißtn hier andere? Die Autobauer zocken ganz Deutschland ab.

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