Mayer: Investment-Banken machen schon wieder riesige Gewinne

/ 12.10.2009 / / 33

Die in Freiburg erscheinende Zeitung “Der Sonntag” führte anlässlich des Jahrestages der Lehman-Insolvenz mit Fachanwalt Andreas Mayer ein Gespräch über Täuschungen, Enttäuschungen und Hoffnungen.

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Herr Mayer, was fällt Ihnen als Anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht zur Insolvenz von Lehman Brothers als Erstes ein?

AM: Das Auffallendste war, dass sehr viele ältere Menschen – häufig im Rentenalter – von der Lehman- Insolvenz betroffen sind.

Haben Banken gezielt unerfahrene Kunden angesprochen?

AM: Nein. Es ist aber Folgendes passiert: Etwa ab Ende 2005 haben einige Banken verstärkt Zertifikate verkauft – offenbar als Ersatz für festverzinsliche Anlagen oder Geldmarkt- und Rentenfonds. Damals gingen die Zinsen am Markt zurück. Die Verkäufer der Banken haben das für sich ausgenützt, um die vermeintlich lukrative Verzinsung der Zertifikate in den Vordergrund zu rücken – ohne die oftmals älteren Kunden auf die Risiken hinzuweisen, denn ältere Menschen legen auf Erhalt ihres Kapitals großen Wert. Von meinen Mandanten haben nur wenige gezielt Zertifikate gewünscht.

Was war der schlimmste Verlustfall, der Ihnen vorgetragen wurde?

AM: Ein Spätaussiedlerpaar, das vor langer Zeit aus Polen nach Südbaden kam, hat durch einen glücklichen Umstand vor zwei Jahren für dasHaus in Polen, das es zurücklassenmusste,Geld bekommen – einen sechsstelligen Eurobetrag. Das Paar sagte der Beraterin der Citibank, es wolle damit eine Wohnung kaufen – als Altersruhesitz. Es brauchte also eine kurzfristige Anlage. Die beiden kannten sich aber nicht aus. Tatsächlich haben sie dann komplett in Lehman-Zertifikate investiert – und alles verloren. Viele, die ihr Geld verloren haben, hatten jahrzehntelang auf konservative Anlagen gesetzt. Viele meiner Mandaten haben früher gute Erfahrungenmit ihrer Bank gemacht. Etwa ab 2006 dann plötzlich wurden sie – oftmals am Telefon – vom Bankberater verstärkt zu Wechseln im Depot animiert und in immer höhere Risiken gebracht.

Haben die Kunden eine Chance, noch an ihrGeld zu kommen?

AM: Ich glaube nicht, dass man auf große Summen aus den Insolvenzverfahren bei Lehman hoffen kann. Es gab schon Aufkaufangebote an Inhaber von Lehman- Zertifikaten, die sich auf ein oder zwei Prozent des Nennwertes beliefen – daran lässt sich der derzeitige Marktwert ablesen. Wer eine reelle Chance habenwill, dem bleibt nur der Weg über die Beratungshaftung der Bank. Gab es einen Beratungsvertrag mit der Bank? Bei persönlichem Kontakt mit der Bank wird meist ein Beratungsvertrag vorliegen, und der Kunde kann Schadensersatz verlangen, wenn das empfohlene Papier nicht seinen geäußerten Vorstellungen entspricht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in jüngster Zeit immer stärker zulasten der Banken entschieden. So hat der BGH klar gesagt, dass Bankberater sämtliche Vergütungsbestandteile offen legen müssen. Also auch wenn die Bank, wie es der BGH ausdrückt, „hinter dem Rücken des Kunden geflossene Zahlungen“ vereinnahmt. Diese hätten komplett aufgedeckt werden müssen. An dem Punkt setzen wir an – natürlich neben anderen individuellen Beratungsfehlern. Die Chancen sind also gut. Ich bin eigentlich ganz optimistisch. Auch aufgrund der Gerichtsurteile gegendie Sparkasse Hamburg und die Dresdner Bank.

Wie viele Anleger in der Region haben Geld durch die Lehman-Insolvenz verloren?

AM: Allein in unserer Kanzlei gibt es einen Gesamtschaden im Millionenbereich. Wir haben rund 60 Mandanten. Zu meinen fünf Vorträgen bei der Verbraucherzentrale Freiburg kamen jedes Mal 40 bis 50 Leute. Und ich muss es noch einmal betonen: Das sind keine Zocker, sondern besonders risikoscheue Anleger.

Würden Sie von krimineller Energie bei Anlageberatern sprechen?

AM: Im ein oder anderen Fall schon. Die Berater haben sich auf einem ganz schmalen Grad bewegt. Die Verkaufsstrukturen waren aber so, dass der Berater selbst kein schlechtes Gewissen haben musste. Die Probleme sind auf höheren Etagen entstanden. Ich habe den Eindruck, da hat es in den vergangenen Jahren strategischeÄnderungengegeben: weg von konservativen Beratern, hin zu Verkäufern. Heute weiß man: Lehman stand schon ein halbes Jahr vor der Insolvenz auf der Warnliste.

Wieso war das 2008 Insiderwissen?

AM: Das war damals in der Tat Insiderwissen. Erst seit kurzem können Credit Spreads tagesaktuell eingesehenwerden. An diesen zeigt sich die Einschätzung des Marktes über das Insolvenzrisiko einer Bank. Es ist wohl ein Spezialwissen, das der Berater am Schalter zwar nicht hatte, die entsprechende Fachabteilung der Bank aber schon – auch deren Wissen ist aber dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Die meisten Opfer kommen von der Citibank. Wieso? Die meisten Betroffenen in meiner Kanzlei sind zwar Kunden der Citibank, aber auch der Dresdner Bank und der Südwestbank. Bei der Citibank kann man mutmaßen, dass sie eng mit Lehman zusammengearbeitet hat. Die Citi-Group zählt zu den Hauptgläubigern im US-Insolvenzverfahren über Lehman.

Wie lange sind Sie nochmit diesen Fällen beschäftigt?

AM: Ich rechne mit den nächsten Jahren. Wahrscheinlich werden wir in vielen Fällen klagen müssen, weil die Banken derzeit kaum Vergleichsbereitschaft zeigen.

Wird der Kapitalismus aus der Lehman-Pleite lernen?

AM: Die Investment-Banken machen schon wieder riesige Gewinne. Die Zertifikate, auf die so viele hereingefallen sind, sollen gerade wieder gut laufen. Es ist ein großer Fehler, dass Staaten Banken mit Sicherheiten ausstatten und ihnen damit ermöglichen, wieder in solche Geschäfte hineinzugehen. Der Kunde kauft ja nur, wenn er sicher ist, dass die Bank nicht pleitegeht. Ich kann nicht erkennen, dass man auch nur ansatzweise aus den Fehlern gelernt hat. Zertifikate sollten nicht an Kleinanleger verkauft werden. Diese Produkte sind zu komplex, als dass Otto Normalverbraucher auch nur ansatzweise erkennen könnte, welche Chancen mit welchen Risiken verknüpft sind. Im Gegensatz zum Kunden sichert die Bank sich gegen ihre Risiken am Markt ab.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE KLAUS RIEXINGER

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Quelle “Der Sonntag” und http://www.mayerlaw.de

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Kategorien: Verbraucherschutz

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