BGH bestätigt Nutzungsersatz – VI ZR 252/19

/ 24.05.2020 / / 1.220

Der  Bundesgerichtshof hat ein verbraucherfreundliches Urteil gesprochen und den Herstellern im Dieselskandal – insbesondere Volkswagen – mit der Entscheidung zum Aktenzeichen VI ZR 252/19 am 5. Mai 2020 keinen guten Dienst erwiesen. Allerdings: Die erhoffte Grundsatzentscheidung zum Nutzungsersatz blieb aus.

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Zusammengefasst:

– VW haftet dem VW Kunden auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges.

– VW muss sich das vorsätzlich sittenwidrige Handeln leitender Angestellter zurechnen lassen, auch wenn diese keine Vorstandsmitglieder sind.

– Definition des Schadens: Gefahr der Stilllegung des Fahrzeuges, in den mit der Nachrüstung verbundenen Aufwänden und in der enttäuschten Erwartung, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

– Der Kaufpreis wird mit 5 Prozent Zinsen ab Einreichung der Klage verzinst.

– Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung für die Verwendung des Fahrzeuges abziehen lassen auf Basis einer zu erwartenden Lebensdauer eines Fahrzeugs von 300.000 Kilometern statt 250.000, wie von den meisten Landgerichten derzeit angewendet. Die konkrete Berechnung obliegt aber weiterhin den Instanzgerichten.

Am Ende übrig bleibt: Erstmals in der Geschichte des Dieselskandals hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Opfern ein Schaden entstanden ist durch die Verwendung manipulierter Abgassysteme.

Nachdem in jüngster Vergangenheit immer mehr Land- und Obergerichte mit ihren Entscheidungen Bedarf an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung angedeutet hatten, kam es jetzt zur bereits erwarteten Entscheidung: Volkswagen ist zwar grundsätzlich schuldig und schadensersatzpflichtig, Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer müssen sich Kläger aber anrechnen lassen, auch dann, wenn der Konzern nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verklagt wurde.

Rechenbeispiel zum Nutzungsersatz

Verbraucher X. hat 2011 einen VW T5 California zum Preis von 70.000 Euro gekauft und damit 300.000 Kilometer gefahren. Er hat einen unverjährten Schadensersatzanspruch, da er sich auf aufgrund aktuell üblicher Rechtsprechung auf § 826 BGB berufen kann und die Rückerstattung des Kaufpreises erwarten darf. VW kann ihm aber Nutzungsersatz in Höhe von 70.000 Euro abziehen (35.000 Euro bei 150.000 km) . Ergebnis: “0”

Eine individuelle Laufleistung eines Fahrzeugs wirkt sich also weiter negativ auf die Entschädigungssumme auswirkt, da das Fahrzeug trotz des Betruges genutzt wurde und der Verbraucher einen unbestrittenen Vorteil daraus gezogen hatte. Daran wird sich wohl nichts ändern.

Sogenannte deliktische Zinsen, also Strafzinsen seit Kauf, wurden auch in kaum einem Urteil berücksichtigt.

Eine verlorene Klage ist also weiterhin für VW kein Totalausfall, denn die Nutzungsentschädigung bleibt ein sehr gern genommenes Trostpflaster.

Die bisherige Auslegung der entsprechenden Rechtsnormen kann man getrost als kreativ bezeichnen. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte zum Aktenzeichens 15 U 190/19  im Januar 2020  entschieden, dass Nutzungsentschädigung nur bis zur Aufforderung zur Abwicklung gelten sollte, grundsätzlich also  auf jeden Fall für den Zeitraum, in dem eine Nutzung nicht mehr erwünscht ist.

Andere Gerichte wie das LG Potsdam positionieren sich noch deutlicher. Das Landgericht machte mit seinem ersten mittlerweile rechtskräftigen Urteil 6 O 38/18 dafür, dass viele Verbraucher im Dieselskandal Mut fassten.

Die Teilnehmer am Musterverfahren werden durch die Entscheidung kaum berührt, und kaum jemand wird sein Widerrufsrecht in Anspruch nehmen.

Unterm Strich bleibt, dass VW sich vom höchsten deutschen Gericht die „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ nach § 826 BGB durch in Verkehr Bringung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung gefallen lassen muss und auch zu akzeptieren hat, dass Schaden entstanden ist, der durch Rückrufaktionen und Nachbesserungen nicht aufgehoben werden kann. Seifert, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal: „Das macht in Zukunft einiges einfacher!“

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Kommentare / Anzahl der Kommentare: 5 Kommentare
Kategorien: Verbraucherschutz

5 Kommentare zu “BGH bestätigt Nutzungsersatz – VI ZR 252/19”

  1. Guten Morgen,

    ich dachte der “EA 189” Motor vom T5 ist nicht von der “Schummelsoftware” betroffen. Es hieß in der Presse, dass der T5 aus den Schadenersatzmöglichkeiten rausfällt, da er als nicht betroffen gilt.
    Hat sich dieser Status verändert, und ab wann tritt dann für den T5 die Verjährung ein.
    Herzlichen Gruß
    M.K.

    1. Der T5 ist betroffen, weil er mit mehreren der vom EuGH gebannten Abschaltvorrichtungen arbeitet und dies allein reicht, um den Vorwurf der Vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu rechtfertigen. Sollen Sie Ihren T5 NACH Mai 2010 gekauft haben ist nichts verjährt.

  2. Axel sagt:

    Habe am Freitag Verhandlungstermin beim Landgericht in Hamburg, bin gespannt wie das ausgeht. T6 finanziert und Wiederspruch.

    1. Hi könntest du mich dazu auf dem Laufenden halten bitte- Bulli-Themen interessieren mich ungemein!

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